EXTRUSION

DEFINITION UND HISTORISCHER RÜCKBLICK

Extrudieren - oder Strangpressen, wie der Prozess im Deutschen auch genannt wird - heißt nach Wörterbuch „ein Produkt durch eine Düse, ein Loch oder einen Schlitz ausdrücken, um damit eine bestimmte Form zu erzielen". Diese weit gefasste Definition umspannt für verschiedenartige Lebensmittel eine ganze Reihe von Verarbeitungsmethoden, die sich im Verlaufe der Jahre entwickelt und gewandelt haben.

Die geschichtlich wohl ältesten und heute noch in ähnlicher Form praktizierten Extrusionsverfahren sind in der Fleischindustrie zu finden: Mit Kolbenextrudern wurde schon im letzten Jahrhundert Fleischbrät zu Würsten geformt und in Därme oder Verpackungen gefüllt. Auch der althergebrachte Fleischwolf stellt einen Extruder dar, in welchem Fleischstücke mit einer Förderschnecke durch eine Lochplatte gedrückt und zu Hackfleisch zerkleinert resp. geformt werden.

In der Getreideverarbeitung ist das Extrusionsprinzip schon sehr lange eingeführt. Etwa um die Jahrhundertwende kamen hydraulisch getriebene Kolbenpressen in Gebrauch, mit welchen Teigwaren, insbesondere Spaghetti, durch Ausdrücken von angefeuchtetem Grieß durch eine Lochplatte geformt wurden. Das Auspressen und Auswalzen von Teigen und Zuckermassen in der Bäckerei- und Süßwarenindustrie beruht ebenfalls auf dem Extrusionsprinzip. Zur Anwendung gelangten in diesem Fall vor allem Kolbenpressen und Rollenextruder.

Mit der Einführung des Schneckenextruders in der Teigwarenindustrie etwa Mitte der 30er Jahre fasste die moderne Extrusionstechnik im engeren Sinne Fuß in der Lebensmit­teltechnologie. Die ersten Schneckenextruder für die Kunststoffindustrie wurden bereits 1879 von Gray in England und 1885 von Ryle in den USA patentiert. Die weitere Verbreitung von Schneckenextrudern begann aber erst 1925 mit der Extrusion von PVC und 1935 von anderen Thermoplasten.  Der  Einsatz  von  Schneckenextrudern  ermöglichte  es,  Teigwaren kontinuierlich aus angefeuchtetem Weizengrieß (30-35 % Wassergehalt) herzustellen. Es handelt sich um eine sogenannte Kaltextrusion, indem die Extrusionstemperatur so geführt wird, dass weder die Stärke quellen und verkleistern kann, noch die Kleberproteine denaturieren. Das sind Vorgänge, die erst beim nachherigen Kochen in Wasser erwünscht sind.

Die Verwendung des Schneckenextruders zur Teigwarenfabrikation hat sehr rasch weitere Anwendungsgebiete in der Getreideverarbeitung induziert, insbesondere für die Herstellung von genussfertigen Cerealienprodukten („Ready to eat cereals"), also z.B. von Frühstückscerealien in Flocken- und Stückform. General Mills, Inc., war Ende der 30er Jahre in den USA die erste Firma, welche vorgekochte Getreidebreie extrudierte und trocknete. Die so gewonnenen Extrudate wurden anschließend mit Walzwerken geflockt oder in Heißluft resp. in heißem Öl zu einer porösen Struktur expandiert. Der Extruder erfüllte also für diese Produkte denselben Zweck wie für die Herstellung von Teigwaren.

Der nächste Schritt in der Entwicklung war die Heißextrusion stärkereicher Rohmaterialien. Wie noch zu besprechen ist, wird das Rohmaterial bei der Heißextrusion entweder durch Reibungswärme, hervorgerufen durch hohe Scherkräfte, oder durch Beheizung des Extruders zusätzlich zur mechanischen Plastifizierung erhitzt. Wird die erhitzte Masse durch die Extruderdüse ausgetrieben, verdampft das im Produkt enthaltene Wasser durch den plötzlichen Druckabfall und treibt das Produkt zu einer porigen Struktur auf (Expandieren, Puffen). Auf dieser Basis ist 1936 zum erstenmal Maisgrieß zu expandierten Ringen extrudiert worden, ein Produkt, das dann zehn Jahre später durch die Adams Corp. in den USA auf den Markt kam. Bedingung für die erfolgreiche Extrusion nach diesem Prinzip war ein tiefer Wasserge­halt und damit die Entwicklung hoher Scherkräfte im Maisgrieß. Im Prinzip simuliert das Verfahren die konventionelle Herstellung von Popcorn.

EINSATZBEREICHE

Waren die Maisextrudate noch vorwiegend auf mit Reibungswärme arbeitenden Extru­sionsanlagen hergestellt worden, trieb das Interesse der Futtermittelindustrie an der Heißextrusion die weitere Entwicklung von extern beheizten Kochextrudern in der zweiten Hälfte der 40er Jahre stark voran. Damit war der Weg offen zu einer Anwendungspalette, die sich in den letzten dreißig Jahren ständig erweitert hat:

a)         für die Herstellung von Hunde- und Katzenfutter. Die Extrusion von „Pet Food“ fasste nach 1950 als Ersatz für das konventionelle Backen von Biskuits sehr rasch Fuß und ist heute mengenmäßig das wichtigste einzelne Anwendungsgebiet dieser Technik.

b)         für die Gewinnung verschiedenster vorgekochter Cerealienprodukte, wobei nun eben seit etwa 1960 der frühere Vorkochschritt mit anschließender Kaltextrusion durch die direkte Heißextrusion, d.h. Kochen und Formen in einem Schritt, abgelöst wurde. Diese Gruppe umfasst unter anderem „Ready-to-eat" Frühstückscerealien, Cerealien für Mischungen mit getrockneten Früchten etc.

c)         für die Verarbeitung von stärkereichen Rohstoffen zu „Snack foods", d.h. zu „Produkten der vierten Mahlzeit“. Der ursprüngliche Prozess der Adams Corp. wurde weiter entwickelt, und heute wird die poröse und knusprige Struktur der Knabberartikel entweder durch direkte Expansion bei der Heißextrusion gewonnen, oder durch Kaltextrusion sogenannter Rohlinge, welche anschließend im heißen Fritieröl expandiert werden. Auch mit anderen Grundstoffen (Proteine, zuckerreiche Materialien) werden heute eine Vielzahl von Snacks durch Heiß- oder Kaltextrusion hergestellt.

d)         für die Umwandlung pflanzlicher und tierischer Proteine zu texturierten, strukturierten und geformten Lebensmitteln. Um 1960 begannen die amerikanischen Firmen Archer Daniels Midlands, Ralston Purina und Swift, aus entfetteten Schroten von Ölsaaten (vor allem Sojabohnen) Fleischanaloge (TVP, „Textured vegetable proteins", oder TPP, „Textured plant proteins") herzustellen. Der entwicklungsmässige Durchbruch für die direkte Extrusion erfolge 1970 mit einem Patent von Atkinson von der Firma Archer Daniels Midlands. Damit hat sich neben dem eigentlichen Spinnprozess zur Herstellung fleischähnlicher Fasern eine zweite prinzipielle Möglichkeit zur Produktion von fleischähnlichen Lebensmitteln gegeben. Man spricht in diesem Zusammenhang auch etwa von „Engineered foods".

e)         für die Behandlung von vollfetten Mehlen aus Ölsaaten zur Inaktivierung verschiedener Inhibitoren (beim Sojamehl ist das der Trypsininhibitor) und der fettoxidierenden Enzymsysteme (Verhinderung von Ranzigwerden). Eine erst kürzlich vorgeschlagene, auch in diese Richtung gehende Applikation der Extrusion ist das Erhitzen und Formen von Reiskleie. Es gelingt so, das in der Kleie und in den Keimlingen enthaltene Öl zu stabilisieren und die Spelzen soweit zu verdichten, dass sie sich anschließend zur Ölgewinnung leicht pressen lassen. Auf diese Weise soll sich eine interessante Speiseölquelle für reisanbauende und -verarbeitende Länder erschließen lassen.

f)          für die Herstellung neuer Brottypen. Diese noch junge Technologie ist eine Fortführung der Knäckebrot- und Crackerherstellung. Mit der Heißextrusion von Mehlmischungen gelingt es in praktisch einem Arbeitsgang, sogenannte „Crisp breads" zu gewinnen.

g)         für die Aufarbeitung von zuckerhaltigen Grundstoffen zu Kommprimaten, Streusel, Hart- und Weichbonbonmassen, Kaugummi- und Bubble Gum- Massen. Meistens geht es darum, verschiedene Komponenten (diverse Zucker, Bindemittel,  Aromastoffe, Farbstoffe etc.) mit einem Knet- und Extrusionsschritt zu agglomerierten Pulvern aufzubereiten, die nachher für die Tablettierung verwendet werden. Oder die plastifizierten Zuckermischungen werden durch anschließendes Formgießen, Ausziehen, Kühlen, etc. direkt zu den Endprodukten verarbeitet.

i)          für die Fabrikation bestimmter aufgeschlossener, vorverkleisterter oder teilabgebauter Stärkepräparate. Hier ist ebenfalls in den letzten Jahren die Extrusion als Alternative zu konventionellen Verfahren wie Stärkekocher, Walzentrockner und Röstofen vorge­schlagen worden. Auch das enzymatische Verflüssigen von Stärke im Extruder zur Zuckergewinnung ist geprüft worden.

Gerade aus den letzteren Anwendungsgebieten geht hervor, dass sich die Extrusionstechnik in der Lebensmittelindustrie mehr und mehr zu einem eigentlichen kontinuierlich arbeitenden Hochtemperatur- Kurzzeit-Verfahren (HTST) gewandelt hat. Darum wird hin und wieder auch vom Extruder als von einem chemischen oder Bio-Reaktor gesprochen.

AUFBAU DES LEBENSMITTELEXTRUDERS

Grundsätzlich lässt sich jeder Extruder in die folgenden Teile gliedern:

·    Eine Speisezone, in welcher es darum geht, den Apparat mit rieselfähigem Gut (Granulat, Grieß, Mehl) zu füllen, das Gut vorzuwärmen, zu entgasen und zu verdichten. Die Förderung des Gutes erfolgt hier in reiner Pfropfströmung wie bei einem Schraubenförderer.

·    Eine Umwandlungszone zum Plastifizieren, Durchmischen, Komprimieren und Schmel­zen. In dieser Zone finden mechanisch oder thermisch induzierte Reaktionen wie Molekülabbau, Vernetzungen etc. statt.

·    Eine Ausstoßzone, welche von der Düse begrenzt wird. Auch in dieser Zone kommen noch scher- und thermisch bedingte Reaktionen vor. Die Düse bestimmt schließlich ne­ben anderen Faktoren die Produktform.

In den meisten Fällen ist noch ein Schneidmechanismus anzubringen, mit welchem die Extrudate auf die gewünschte Länge geschnitten werden.

KLASSIFIKATION

a)         nach Produktgruppen: Teigwarenpresse, Snackextruder etc.

b)         nach der Art der Wärmeeinleitung oder -abführung:

- autogene, d.h. fast adiabatisch arbeitenden Systemen. Die notwendige Wärmeenergie wird ausschließlich aus Reibungswärme (d.h. viskoser Dissipationsenergie) gewonnen (Snack- Extruder).

- isothermen Systemen mit externer Heizung oder Kühlung (Teigwarenpresse).

- polytropen Systemen, welche sowohl Reibungswärme als auch externe Wärme be­nützen. Die meistenKochextruder basieren heute auf diesem Prinzip.

c)         nach Wassergehalt der Ausgangsmaterialien.

d)         nach  Temperaturbereichen: 

- Kaltextrusion  bei  40  bis  600 °C, 

- Heißextrusion (Kochextrusion) bei 120 bis 1800 °C.

e)         nach Fördermechanismen zum Druckaufbau:

- zähflüssige Bewegung durch Schleppströmung („drag flow"), vergleichbar mit dem Zentrifugalpumpen-  Prinzip, realisiert bei den Einschneckenextrudern. Extrusions­druck, Drehmoment an der Schnecke und Durchsatz, und damit Verweilzeit sind voneinander abhängig.

- zwangsweise Förderung, d.h. positiv verdrängende Arbeitsweise mit dem System des ineinander greifenden (kämmenden) Doppelschneckenextruders. Druckaufbau, Drehmoment und Durchsatz können unabhängig voneinander geregelt werden. Das Material wird mit geringen Scherkräften gefördert.

Einschnecken- und ineinandergreifende Doppelschneckenextruder unterscheiden sich in Ar­beitsweise und Einsatz wesentlich voneinander. Sieht man einmal von Teigwarenextrudern ab, so wird klar, dass Einschneckenextruder vor allem für Herstellungsprozesse geeignet sind, welche hohe Scherkräfte erfordern. Die wichtigsten Konstruktionsparameter sind das Längen­- Durchmesser- Verhältnis der Schnecke resp. des Zylinders und das Kompressionsverhältnis der Schnecke. Typische L/D- Verhältnisse variieren zwischen 6 und 15,Kompressionsverhält­nisse zwischen 1:1 (kleine Kompression, große Kanaltiefe, Kaltformung von Teigwaren) und 1:5 (hohe Kompression). In Bezug auf die Oberflächenbeschaffenheit von Zylinder und Schnecke sind für die Lebensmittelextrusion oft spezielle Ausführungen notwendig, die Ansprüche liegen höher als bei Plastikextrudern.

Einschneckenextruder sind sehr robust. Aller­dings ist der Einsatz bei schlecht förderndem Material beschränkt, da das Einziehen des Rohstoffes in den Extruder dann Schwierigkeiten bereitet. Die Kompression kann natürlich statt durch die Schneckengeometrie auch durch Stauplatten erzielt werden. Die Förderprobleme werden mit einem ineinandergreifenden Doppelschneckenextruder weitgehend gelöst, zwar mit entsprechend höheren Investitionen und mit der Tatsache, dass es sich bei solchen Maschinen um weniger robuste Einrichtungen handelt. Die große Flexi­bilität im Einsatz hat den Doppelschneckenextruder in den letzten Jahren dennoch beliebt gemacht. Die Flexibilität wird auch dadurch erreicht, dass rein geometrisch die Schneckenanordnung verschieden konstruiert werden kann, nämlich gleichsinnig oder gegenläufig rotierend, und mit oder ohne ausgeprägte Mischwirkung.

Am Prinzip des Extruderaufbaus ändert sich nichts, wenn Mehrfachextrusion (zwei Extruder in Serie, der erste primär für die Hitzebehandlung/ Scherung, der zweite vor allem für die Formgebung) oder Koextrusion (Düsenkopf so gebaut, dass zwei Produkte miteinander vermengt oder einander überschichtet werden können) zum Einsatz gelangt.

Gegenüberstellung des Einschnecken- und Doppelschneckenextruders

 

Einschneckenextruder

Doppelschneckenextruder

Thermische Energieeinleitung

viskose Energiedissipation

Wärmeübertragung mit Heizelementen

mechanische Energieeinleitung

große Scherkräfte

kleine Scherkräfte

Gutförderung

Schleppströmung

Zwangsförderung

Durchsatz und Verweilzeit

Funktion von Wassergehalt, Fettgehalt und Druck

keine Funktion von Wassergehalt, Fettgehalt und Druck

Temperaturverteilung

große Temperaturdifferenzen

kleine Temperaturdifferenzen

Investitionen

tief

hoch

Robustheit

groß

klein

Wassergehalt

10 - 35 %

5 - 90 %

ARBEITSWEISE DES HTST - EXTRUDERS

Die nachstehenden Angaben werden vorwiegend für die HTST - Extrusion von stärkereichen Rohstoffen in Einschneckenextrudern gemacht, wobei sich grundsätzlich vieles bei der Ver­arbeitung von proteinreichen Lebensmitteln und beim Einsatz von Doppelschneckenextrdern gleich bleibt.

Neben den konstruktiv zu wählenden Parametern (Zylinder- und Schneckendurchmesser, Zylinderlänge, Gang- und Kanalhöhe der Schnecke, Stauplatten, Kompressionsverhältnis, Düsenform und Düsenquerschnitt) sind für die Extrusion die Temperatur des Heiz- resp. Kühlmantels in den verschiedenen Zonen und die Drehzahl der Schnecke festzulegen. Von der Rohmaterialseite ist neben der Zusammensetzung primär der Wassergehalt vorzugeben. Aus all diesen Parametern resultieren

·       die Guttemperatur in den verschiedenen Zonen

·       das auf die Schnecke wirkende Drehmoment als Maß für die mechanische Energieeinlei­tung

·       der sich bei der Extruderdüse aufbauende Druck, welcher sich im Bereich von 150 bis 200 bar bewegt

·       der Produktdurchsatz in kg Produkt pro Zeiteinheit

·       damit verbunden die Verweilzeit. Je nachdem, ob im Extruder intensive oder nur schwa­che Rückmischung vorhanden ist, werden sehr weite oder sehr enge Verweilzeitspektren beobachtet. Eigene Messungen haben minimale Verweilzeiten von 20 bis 40 s ergeben.

Auch in Reaktoren anders als der Extruder bestimmen Temperatur, Druck und Verweilzeit weitgehend  Geschwindigkeit und Ausmaß chemischer und biochemischer Reaktionen. Im Extruder kommt nun noch die Scherenergie (viskose Dissipationsenergie) hinzu, die sich teils als Wärme, teils als mechanische Energie auf die Stoffe auswirkt. Man hat deshalb ver­schiedentlich versucht, die ablaufenden Reaktionen zur Energieeinleitung in Beziehung zu setzen.

Spez. Energieeinleitung = Mech. Energieeinleitung + Thermische Energieeinleitung (kJ/kg)

Die mechanische Energieeinleitung lässt sich berechnen als:

Emech =  Md x w x 1/m  mit Md = Drehmoment (kN m)

w= Winkelgeschwindigkeit der Schnecken (1/s)

m= Massestrom (kg/h)

Die mechanische Energieeinleitung liegt in der Größenordnung von

0,1 - 0,4 kWh/kg beim Einschneckenextruder

0,1 - 0,2 kWh/kg beim Doppelschneckenextruder

Die Berechnung oder Messung der thermischen Energieeinleitung ist mit etwelchen Schwierigkeiten verbunden. Für näherungsweise Betrachtung ist bei Extrudern mit hohen Scherbeanspruchungen die Berücksichtigung nur der mechanischen Energieeinleitung zweckmäßig; als Indikator für die thermische Belastung wird die Temperatur herbeigezogen.

Aus der oben gegebenen Liste der verschiedenen Einflussgrößen wird sofort klar, dass viele Parameter untereinander wieder verknüpft sind, so dass in Experimenten zur Opti­mierung der Extrusion die Variation eines Parameters auf der Produkte- oder Apparateebene sofort andere Parameter beeinflussen, welche ihrerseits wiederum Einflüsse auf die Pro­duktivität ausüben. Die Prozessoptimierung kann deshalb nur über ein relativ aufwendiges und komplexes System erfolgen.

VORGÄNGE WÄHREND DER KOCHEXTRUSION

Die für die Qualität des Endproduktes wichtigen Veränderungen sind einerseits in der Umwandlungs- und Ausstoßzone des Extruders und andererseits beim Austritt aus der Düse lokalisiert.

Wie bereits erwähnt, wird in der Umwandlungszone das pulverförmige Rohmaterial in den plastischen Zustand übergeführt. Leider ist es aus technischen Gründen nicht möglich, diese Plastifizierung bei den nötigen hohen Drücken und Temperaturen direkt zu sehen (Materialprobleme bei der Zylinderkonstruktion), so dass man für diese Umwandlung auf indirekte Hinweise angewiesen ist. Eine wenn auch eingeschränkte, so doch brauchbare direkte Methode ist die Verwendung eines zweiteiligen Extruderzylinders, den man möglichst rasch nach dem Extrudieren der Länge nach öffnen kann; damit wird das Produkt in den einzelnen Zonen der Probenahme zugänglich. Ein zweiter mehr oder weniger direkter Hinweis sind Viskositätsmessungen an der plastifizierten Masse, indem eine verlängerte Strecke nach der Schnecke und vor der Düse als Kapillarviskosimeter eingesetzt wird. Die Berechnung der Viskosität erfolgt aus Kapillargeometrie, Durchsatz und Druckdifferenz zwischen Kapillarein- und austritt.

Ausstoßen aus der Düse: Beim Austreten aus der Düse erhalten die Produkte ihre mor­phologischen Eigenschaften, welche für die Qualität im Hinblick auf die Verwendung von entscheidender Bedeutung sind. Wesentlichstes Merkmal des Düsenaustrittes ist die Expan­sion, wobei zu unterscheiden ist zwischen

·       dem sogenannten „Die swell", d.h. der Expansion aufgrund der viskoselastischen Eigenschaften der Schmelze. Wie bei Kunststoffen bewirkt die Normalspannungskomponente eine Querexpansion, welche insbesondere bei Stärken recht hoch ist. Das Verhältnis Extrudat- zu Düsenquerschnitt erreicht etwa 3.

·       und dem Puffen oder der Expansion durch das beim Entspannen momentan beginnende Verdampfen des Wassers. Diese Querexpansion führt zur gewünschten porösen Struktur. In vielen Fällen ist das Ausmaß der Expansion das wichtigste Kriterium zur Beurteilung der Extruderqualität. Dabei ist zu beachten, das die Produkte sowohl quer als auch längs expandieren können.

Es ist interessant, das Expandieren beim Düsenaustritt mit dem Expandieren des Maiskorns bei der Popcornherstellung zu vergleichen: Das Expandieren geht beim Popcorn bei einem Druck von ca. 9.5 bar und einer Temperatur von ca. 175 °C vor sich.

Umwandlung von Stärke und stärkereichem Material: Stärke wird bei der Plastifizierung praktisch vollständig aufgeschlossen, d.h. „verkleistert". Quantitativ kann das Quellvermögen z.B. mit der Bestimmung der Amylogramme von Extrudaten charakterisiert werden. An sich ist es erstaunlich, dass die Verkleisterung bei so tiefen Wassergehalten (15 bis 25 %) vor sich geht, da ja mit konventionellen Technologien die Verkleisterung mit einem Überschuss an Wasser vorgenommen wird. Allerdings ist zu beachten, dass Temperatur, Scherkräfte und Druck beim Kochextrudieren wesentlich höher liegen als etwa beim Walzentrocknen von Stärkesuspensionen. Entsprechend hoch ist beim Extrudieren auch die Verdichtung der plastifizierten Masse: Man findet spezifische Gewichte zwischen 1,2 und 1,4. Im weiteren gilt es zu beachten, dass eine Verkleisterung, beobachtet als Verlust der Doppelbrechung von Stärkekörnern, auch bei einer statischen Druckbelastung von z.B. 1 bar bei 170 °C nach 30 min. feststellbar ist.

Zunehmend höhere Scherkräfte und Temperaturen führen auch zu einem partiellen Löslichwerden und zu einem Molekülabbau. Den zunehmenden Abbau kann man sehr schön beobachten, wenn dasselbe Material hintereinander mehrmals extrudiert wird. Die Extrusion ergibt also neben dem Verkleistern und Quellen auch eine Dextrinisierung und ist damit mindestens teilweise mit dem althergebrachten Röstprozess vergleichbar.

Die eben besprochenen chemischen und physikalischen Veränderungen sind stark von der Stärkeart abhängig.

Dass die Vorgänge bei der Stärkeextrusion, abgesehen von der Wasserdampfentwicklung an der Düse sehr gut mit der Kunststoffextrusion übereinstimmen, zeigt sich am Phänomen des Spannungsbruches. Er führt zur Entwicklung einer sog. „Shark-skin" und kann sowohl bei Stärke wie auch bei Kunststoff beobachtet werden.

Umwandlung von Proteinen: Über Details der chemischen Umwandlungen von Proteinen beim Plastifizieren und beim Fördern bis zur Extruderdüse ist relativ wenig bekannt. Man muss annehmen, dass das normalerweise denaturierte Ausgangsmaterial weiter denaturiert wird. Wahrscheinlich werden S-S und H-H Brücken gespalten und neu arrangiert, und die Moleküle werden „linearisiert". Die bei Proteinen entstehenden Viskositäten der plastischen Masse liegen wesentlich tiefer als bei Stärke. Noch tiefer liegen die Werte, wenn fetthaltige Proteinpräparate extrudiert werden (Gleitwirkung).

WEITERE PRODUKTVERÄNDERUNGEN WÄHREND DER HTST -  EXTRUSION

Eine ganze Reihe weiterer Veränderungen, welche über die reinen Strukturumwandlungen der polymeren Substanzen hinausgehen, können für die Endproduktqualität von Bedeutung sein.

Nährwertveränderungen: Durch den Aufschluss der Stärke während der Extrusion liegt die Verdaulichkeit hoch. In Bezug auf Proteine ergeben sich die bei Erhitzungsprozessen üblichen Nährwertverminderungen, insbesondere durch Maillard- Reaktionen, also durch Verlust an essentiellen Aminosäuren. Auf die Inaktivierung des Trypsininhibitors bei Leguminosen ist bereits hingewiesen worden. Für Vitamine liegen Untersuchungen vor, wonach die Ver­luste durchaus in der Höhe anderer Verfahren der Lebensmittelverarbeitung liegen. Die Verluste sind stark abhängig vom Wassergehalt des Rohmaterials.

Blanchiereffekt: Viele der für die Lagerstabilität nachteiligen Enzymsysteme werden während der Extrusion inaktiviert: Lipase, Lipoxigenase. Dabei ist das Ausmaß der Inaktivierung sehr stark vom Wassergehalt abhängig. Es ist bekannt, dass einige Enzyme sehr hitzestabil sind und deshalb kaum inaktiviert werden, so z.B. Peroxidase und a-Amylase.

Pasteurisations- und Sterilisationseffekt  Die HTST- Extrusion ergibt einen guten Pasteurisations- und Sterilisationseffekt. Natürlich wird wiederum bei recht tiefen Wassergehalten er­hitzt, was zur Folge hat, dass die Inaktivierungsraten tiefer als bei wassergesättigtem Milieu liegen.

WEITERVERARBEITUNG DER HTST -  EXTRUDATE

Je nach Verwendung ergeben sich eine Vielzahl von weiteren Verarbeitungsschritten. Ge­meinsam ist in der Regel eine Trocknung, wobei diese Trocknung oft minimal sein kann, nämlich dann, wenn die Produkte mit sehr tiefen Wassergehalten eingetragen worden sind und das Wasser bei der Expansion nach dem Austritt aus der Düse weitgehend verdampft. Falls die Extrudate nicht in Stückform verwendet werden, folgt auf die Trocknung ein Mahl­ und Siebprozess. So werden etwa verschiedenste Mehle als Ingredienzien für Nahrungsmittel aufbereitet.